Teilprojekt A.3

Menschenrechtliche Transformationen des deutschen Migrationsrechts

Das Projekt untersucht Reichweite, Formen und Folgen des Vordringens von Menschenrechtsdiskursen im deutschen Migrationsrecht. Dabei handelt es sich um dasjenige Teilgebiet der deutschen Rechtsordnung, das mit der Gebietszulassung, der Determination des Aufenthaltsstatus, der Asylberechtigung, mit Sozialleistungen für Asylsuchende und Geduldete sowie mit der Integration und Einbürgerung von Migrant:innen befasst ist. Gefragt wird, inwiefern durch die Rezeption völkerrechtlicher Vorgaben in Gesetzgebung und Rechtsprechung sowie durch die Praxis juristischer Interventionen von Nichtregierungsorganisationen eine menschenrechtliche Transformation des Rechtsgebiets seit 1993, dem Jahr der letzten Änderung seiner verfassungsrechtlichen Grundlage, stattgefunden hat. Zugleich kontrastiert das Projekt den Prozess der Vermenschenrechtlichung zum einen mit den inhaltlich oft parallelen Prozessen einer Konstitutionalisierung und Europäisierung, zum anderen mit gegenläufigen Entwicklungen wie einer Versicherheitlichung des Migrationsrechts. Das Projekt möchte über Dynamiken und (Un-)Gleichzeitigkeiten einer subjektivrechtlichen Transformation des Migrationsrechts, die Rollen staatlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure und ein mögliches Anknüpfen von Gegendiskursen an eine unterbrochen geglaubte fremdenpolizeiliche Tradition aufklären.
Im Fokus steht dabei die Argumentation mit Menschenrechten in juristischen, einschließlich rechtspolitischen, Fachdiskursen. Die insofern häufig maßgebliche rechtsdogmatische Methode wird in dem Projekt mit quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden aus den Sozialwissenschaften verschränkt. Konkret werden zunächst migrationsrechtsrelevante Dokumente aus der Bundesgesetzgebung und der Rechtsprechung von obersten Bundesgerichten ausgewertet. Hierzu zählen Gesetzesentwürfe aus der 12. bis 20. Wahlperiode zum Deutschen Bundestag, Gutachten und Sachverständigenanhörungen von NGOs im Innenausschuss des Bundestags, Entscheidungen des Bundesverfassungs-, Bundesverwaltungs- und Bundessozialgerichts sowie Schriftsätze, die sich strategischer Prozessführung zuordnen lassen. Die entsprechenden Korpen werden zunächst mit computergestützter Volltextsuche anhand der Nennung von Menschenrechtsnormen quantitativ erschlossen. Vertiefend werden quantitativ hervorstechende Fälle extrahiert und mit der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet.

Leitung: Prof. Dr. Frederik von Harbou

Mitarbeiterin: Adriana Kessler

Ernst-Abbe-Hochschule Jena