MeDiMi Lecture / Mittwoch, 31.01.2024, 18:00–20:00 Uhr / Marburg

Die Krise der Repräsentation und die reflexive Wende in der Migrationsforschung

Vortrag und Diskussion mit Prof. Dr. Boris Nieswand (Eberhard Karls Universität Tübingen)

Philipps-Universität Marburg | Hörsaal 201, Biegenstraße 12, 35037 Marburg

Livestream: https://youtube.com/live/jKnkzAkVfG4

Die Konjunktur des Reflexivitätsbegriffs ist eine Reaktion auf die Kritik wissenschaftlicher Autorität insbesondere im Hinblick auf die Repräsentation von "diskriminierbaren Subjekten". In der Migrationsforschung knüpfen daran unterschiedliche Pfade einer post-realistischen und/oder ideologiekritischen Wissensproduktion an. Abstrakt betrachtet, kann Reflexivität dabei als eine rekursive epistemische Arbeit verstanden werden, die darauf abzielt, die Effekte sozialer Beziehungen und gesellschaftlicher Positionalitäten auf die Produktion und Anwendung von Wissen über Migration und Migrant:innen zu explizieren und zu erklären. Weil aber reflexive Arbeit weder ein einheitliches epistemisches Objekt konstituiert, noch eine standardisierbare Methode darstellt, führt sie nicht einfach zu einer Widerherstellung von einer nun machtkritisch bereinigten wissenschaftlichen Autorität. Stattdessen lassen sich Modi des Reflexiven unterscheiden, die jeweils ihre eigenen Formen epistemischer Unruhe und Verkomplizierung wissenschaftlicher Autoritätsproduktion mit sich bringen. Der Vortrag geht auf vier dieser Modi ein: (1) intersektionale Reflexivität, (2) situative Reflexivität, (3) akademische Reflexivität und (4) politische Reflexivität. Zum Abschluss soll darüber nachgedacht werden, warum es sich dennoch lohnen könnte, sich den Zumutungen und Verkomplizierungen einer reflexiven Wissensproduktion auszusetzen.

Boris Nieswand ist Professor für Soziologie an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Migrations- und Diversitätsforschung, in der Stadtforschung und in der Soziologie der Moral.