Teilprojekt B.3
Menschenrechtsdiskurse in politischen Protesten von Geflüchteten und undokumentierten Migrant:innen in Deutschland und den USA
Dieses Forschungsprojekt zielt darauf ab, menschenrechtliche Diskurspraktiken von geflüchteten und migrantisierten Aktivist:innen im Kontext von undokumentierter und prekärer Migration zu untersuchen. Es konzentriert sich auf politische Interventionen und Artikulationen von den 1990er Jahren bis heute in Deutschland und in den USA. Dabei geht es darum, wie politisch selbstorganisierte Migrant:innen- und Geflüchtetengruppen das Spannungsverhältnis zwischen Menschenrechten als Normen und ihrer faktischen Umsetzung thematisieren und anprangern.
Die Idee des Projekts entstand aus der Beobachtung, dass Menschen- (und Bürger-)rechte nicht einfach gegeben oder abschließend sind. Sie werden von selbstorganisierten politischen Gruppen und Organisationen von Personen, die über Migrations- und Asylgesetzgebung reguliert werden, thematisiert, eingefordert und erstritten. Denn diese Gesetze schränken ihren Zugang zu fundamentalen Grundrechten wie Freizügigkeit, Wohnen, Bildung, Gesundheit, Arbeit und sozialem Wohlstand ein. Dieser Beobachtung folgend, beschäftigt sich das Projekt mit vier Forschungsunterfragen:
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Wie sieht der Bezug zu offiziellen Menschenrechtsdiskursen aus und welcher Anspruch wird auf dieser Grundlage formuliert?
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Auf welche alternativen Verständnisse von Recht und Gerechtigkeit wird Bezug genommen?
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Wie werden Erfahrungen von Ungerechtigkeit artikuliert?
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Was ist das politische Verständnis von Rechten?
Aus der Position politisch engagierter Forscher:innen und Aktivist:innen nimmt das Forschungsteam eine feministische, antirassistische und dekoloniale Perspektive auf die Wissensproduktion ein. In der Tradition der partizipativen Aktionsforschung ist das Projekt an einem gemeinsamen Verstehen des Forschungsfeldes interessiert und arbeitet im Sinne Community-orientierter sozialer Gerechtigkeit. Alle Akteur*innen im Forschungsprozess sind an der Herstellung von Wissen beteiligt. Im Mittelpunkt des Projekts steht daher die Analyse und Theoriebildung im Rahmen der politischen Selbstorganisation von Personen, die der Gesetzgebung der EU-Migrations-, Asyl- und Grenzkontrollpolitik unterworfen sind. Auf dieser Grundlage setzt das Projekt sich mit der Kritik an den ausgrenzenden und entmenschlichenden Wirkungen dieser Politiken auseinander.
Es beleuchtet unterschiedliche Verständnisse von Menschenrechten als Rechte und fragt nach Prozessen der Dehumanisierung – Entmenschlichung – auf der Grundlage restriktiver Migrations- und Grenzkontrollpolitiken sowie nach alternativen Gerechtigkeitssemantiken, Vorstellungen rechtlicher Anerkennung und politischer Partizipation. Damit verweist das Projekt auf eine bisher wenig erforschte Verflechtung zwischen Asyl- und Migrationskontrollpolitik einerseits und (neo-/post-)kolonialen globalen Ungleichheiten andererseits.
Das Forschungsteam arbeitet methodisch auf zwei Ebenen. Es führt eine diskurskritische Analyse digitaler Archive im skizzierten Forschungsfeld durch, während es sich gleichzeitig mit Community-orientierter und partizipativer Aktionsforschung befasst.
Leitung: Prof. Dr. Encarnación Gutiérrez Rodríguez
Mitarbeiter:innen: Slađana Branković, Basma Al-Moyed (studentische Mitarbeiterin), Oscar Herzog Astaburuaga (studentischer Mitarbeiter)
Goethe-Universität Frankfurt am Main